Ralf T. Franzen – Zweifachvater und waschechter Angeliter von der Kimbrischen Halbinsel – verschlug es 2009 der Liebe wegen auf die vor Gegensätzen strotzende Nordseeinsel Sylt, wo er reichlich Gelegenheit hat, Charakterstudien für seine liebenswert schrulligen Protagonisten zu betreiben. Ob Bruno, TV-süchtiger Katzenbändiger und gescheiterter Trödelladenbesitzer, Kalle, der aalglatte Betrüger mit Egoproblem oder Manni, der in seinem Cerealienwahn immer alles durcheinander bringt – alle Charaktere sind pointiert und so plastisch dargestellt, dass Brunos Multitaskingkompetenz ebenso schmerzt wie Kalles Überheblichkeit. In mal ironischen, mal bitterbösen Worten beschreibt der Autor die Klippen und Steilhänge des Lebens, in denen sich seine Helden mit absoluter Regelmässigkeit verklettern.
Der obige Text ist natürlich nicht von mir und es ist überraschend schwer, über sich selbst zu schreiben. Danke, Birgit. Geboren und bis zu meinem siebten Lebensjahr aufgewachsen bin ich als das zweitjüngste Kind von sechsen. Drei Mädels, drei Jungs. Es ging in unserer Familie sehr laut und nicht immer schön zu, auch Gewalt war Teil meines jungen Lebens. Infolgedessen packte ich nach einem maßlos vergeigten Schulabschluss einen alten Bundeswehrseesack und zog in das, was ich für eine riesige Stadt hielt. Alles ist größer als ein Ort, in dem man jeden kennt und zu allen Erwachsenen Tante oder Onkel sagt. Kurz vor meinem sechzehnten Geburtstag erlitt ich einen schweren Autounfall und sprang dem Tod gerade noch so von der Schippe; das veränderte sehr früh meinen Blick auf Leben und Tod. Der Hang zum Leid und dem sich gelegentlich darin herumzuwälzen wie ein depressives Schwein, wurde davon natürlich noch erfolgreich gesponsert. Das trieb mich in die vermeintlich wohlig warmen Arme von allem Möglichen. Es folgten Jahre der ewigen Unruhe, die ich in Europa und der zeitweiligen Obdachlosigkeit verbrachte.
Verbrachte klingt komisch, oder? Mein frühes Leben war nicht leicht, aber was heißt das schon? Es hat nie jemand behauptet, dass es ein Spaziergang sein würde. Mein Leben war sicherlich absurd und wenn ich an die alten Zeiten denke, habe ich immer Bilder im Kopf, die meist lächerlich sind. Oft auch tragisch, aber lächerlich vorhersehbar und irrational. Und das geschieht bis heute: Ich beobachte nahezu beliebige Szenen und sehe Karikaturen. Es ist spannend, wenn man Verhaltensweisen seziert wie einen Frosch im Biologieunterricht. Und diese Bilder, diese Betrachtungen aus einem anderen, vielleicht auch gewöhnungs-bedürftigen Blickwinkel, will ich gerne weitergeben und Euch in die Köpfe pflanzen. Im Idealfall im Maßstab 1 zu 1. Wer hat schon einmal gesehen, wie ein Obdachloser mithilfe eines Taschenspiegels herauszubekommen versucht, ob er das zweite Würstchen schon gegessen hat? In meinen Geschichten geht es nicht darum, ob es der Gärtner war oder der Butler und warum um Mitternacht in der Bibliothek immer noch das Licht gebrannt hat. Sondern um das, was sich in den Köpfen meiner Helden abspielt, wenn sie sich in die Scheiße reißen und wie sich das in ihrem Leben manifestiert. Momentaufnahmen, Lebensgeschichten, Schicksale. Und wie sind sie dorthin gekommen? Handlung entsteht durch Konflikt, durch Ereignisse, die die Menschen aus ihrer gewohnten Routine reißen, und sie mit Fakten oder vermeintlich gegebenen Umständen dazu bringen, Dinge zu tun, die sie sonst nicht machen würden. Und das ist eben Krimi.
Vielleicht schreibe ich ja gar keine Krimis? Vielleicht geht es ja darum, wie ich die Welt sehe? Nur mit Leichen. Lest es und findet es heraus.